Eisenbahn im Film  –  Rail Movies 
 

 

 

 

The 39 Steps

 

Art: Spielfilm
Produktion: Großbritannien 1935
Regie: Alfred Hitchcock
Farbe: schwarzweiß
Laufzeit: 86'
anderer US-Verleihtitel: „The Thirty-Nine Steps“
deutscher Verleihtitel: „Die 39 Stufen“

Darsteller (laut IMDb):
Robert Donat (Richard Hannay/Mr. Hammond/Capt. Fraser/Henry Hopkinson)
Madeleine Carroll (Pamela/Mrs. Henry Hopkinson)
Lucie Mannheim (Miss Annabella Smith)
Godfrey Tearle (Professor Jordan)
Peggy Ashcroft (Margaret Crofter)
John Laurie (John Crofter)
Helen Haye (Mrs. Louisa Jordan)
Frank Cellier (Sheriff Watson)
Wylie Watson (Mr. Memory)
Gus McNaughton (Commercial Traveller on Flying Scotsman)
Jerry Verno (Commercial Traveller on Flying Scotsman)
Peggy Simpson (Maid)

 

Inhalt

Der kanadische Bergbau-Ingenieur Richard Hannay (Robert Donat) wird während seines Urlaubs in London unvermittelt in ein Spionage-Komplott verwickelt und flieht – von der Polizei als vermeintlicher Mörder gejagt – mit dem Zug nach Schottland, um das Geheimnis der „39 Stufen“ zu ergründen.

 

Eisenbahn

Nachdem der Protagonist einen Milchmann bestochen hat, gelingt ihm in dessen Uniform das Verlassen der Wohnblocks und anschließend mit dessen Lieferwagen die Flucht zum Bahnhof, wo er den Expresszug nach Schottland entert und so seinen Häschern vorläufig entkommt. Inzwischen läuft die Fahndung der Polizei bereits auf Hochtouren – im Film folgt die geniale Einstellung, in der die Putzfrau in Hannays Wohnung eine Leiche vorfindet und ihr gellender Schrei vom langgezogenen Pfiff eines Expresszuges übertönt wird, welcher in voller Fahrt aus einem Tunnel hervordonnert –, und beim nächsten Halt in Edinburgh findet der Kanadier sein Konterfei bereits auf der Titelseite einer Extra-Ausgabe, welche auf dem Bahnsteig feilgeboten wird.

Die zwei Mitreisenden – einer davon Vertreter für Damenunterwäsche – werden dem Gesuchten gegenüber auch immer misstrauischer, weshalb der Held sich gezwungen sieht, kurz nach der Weiterfahrt das Abteil zu verlassen, zumal inzwischen Scotland Yard die Waggons auf der Suche nach dem vermeintlichen Mörder durchkämmt. In der Folge kommt es zu einer turbulenten Verfolgungsjagd, welche auch durch den Speisewagen führt und vorerst im am Schluss eingereihten Gepäckwagen endet, als einer der Beamten die Notbremse zieht und der Express mitten auf der berühmten Forth Bridge zum Halt kommt. Der Held verbirgt sich daraufhin solange hinter einem Brückenpfeiler, bis der Zug wieder anfährt und schlägt sich danach weiter in Richtung Killin durch, um nach „Alt-Na-Shellach“ zu gelangen.

Drehorte

Hitchcock inszenierte das Meisterwerk zu großen Teilen im Londoner Lime Grove Studio der Gaumont-British, wobei die Technik der Rückprojektion ausgiebig und virtuos zur Anwendung kam. Die dafür notwendigen und noch weitere Außenaufnahmen entstanden vor dem St. Pancras Hotel in London, in der Waverly Station in Edinburgh, am Ufer des Firth of Forth bei South Queensferry östlich der gigantischen Bahnbrücke sowie im schottischen Hochland in der Gegend südöstlich der Ortschaft Glencoe.

Um der im Studio nachgestellten Moorlandschaft für die als erste zu drehende Szene – Hannay und Pamela, notabene durch eine Handschelle aneinandergefesselt, fliehen aus dem Wagen der beiden feindlichen Agenten und verstecken sich unter einer Straßenbrücke – zusätzliche Authentizität zu verleihen, ließ Hitchcock eine Herde von etwa 60 Schafen agieren. Das größte Problem bestand darin, dass die Einstellung schnellstmöglich „im Kasten“ sein musste, bevor die Tiere das ganze Set abgegrast hatten.

Der Bahnhof – King’s Cross Station

King’s Cross wurde unter der Leitung von Lewis Cubitt in den Jahren 1851 bis 1852 im Auftrag der damaligen Great Northern Railway erbaut und diente dem Fernverkehr nach Schottland über die Ostküsten-Hauptlinie. Dominiert wurde die gelbfarbene Backstein-Fassade durch zwei große Bogenfenster und den mittig aufragenden Glockenturm im italienischen Stil. Architektonisch konkurrenziert wurde der Bau dann durch die riesige Gotik-Fassade des dem gleichnamigen Kopfbahnhof vorgelagerten Hotels St. Pancras, welches zwischen 1868 und 1874 in unmittelbarer Nachbarschaft zur King’s Cross Station entstand.

Der Zug – The Flying Scotsman

Abgesehen von einer kurzen Periode nach dem ersten Weltkrieg verkehrte der weltberühmte Express – als „Special Scotch Express“ der erste namhafte Zug überhaupt – seit Juni 1862 täglich um 10.00 Uhr ab Gleis 10 von King’s Cross Station. Ab 1923 führte die London and North Eastern Railway (LNER), welche mit der an der Westküste operierenden London Midland and Scottish Railway in ständiger Konkurrenz stand, eine neue Klasse von Pacific-Maschinen (Achsfolge 2’C1’) ein. Die auch als „Super Pacific“ bezeichnete Dampflok basierte auf der berühmten Konstruktion von Sir Nigel Gresley aus dem Jahre 1911 und avancierte in der Folge zum neuen Standard-Typ auf der LNER-Hauptlinie zwischen London und Aberdeen, so dass schwerste Expresszüge von bis zu 600 Tonnen befördert werden konnten.

Dank der außergewöhnlichen Leistungsfähigkeit der A3-Pacifics bot die LNER ab Sommer 1928 den fahrplanmäßigen Non-Stop-Service auf der „East Coast Main Line“ ein, wobei der Expresszug die Distanz über 632 Kilometer bis Edinburgh schließlich in nur siebeneinhalb Stunden zurücklegte. Zur Zeit der Dreharbeiten Mitte der 1930er Jahre setzte sich der „Flying Scotsman“ wie folgt zusammen:

  • Glasgow-Sektion: Abteilwagen 3. Klasse mit Gepäck/Bremserabteil sowie Abteilwagen 1. Klasse/3. Klasse
  • Perth-Sektion: Abteilwagen 1./3. Klasse mit Gepäckabteil
  • Edinburgh-Sektion: zwei bis vier Abteilwagen 3. Klasse, ein Buffet/Salon/Bar-Wagen mit Abteilen 3. Klasse, eine „Triple Unit“ aus Speise-/Küchen-/Speisewagen 1. Klasse, ein Abteilwagen 1. Klasse
  • Aberdeen-Sektion: Abteilwagen 1./3. Klasse sowie zwei Abteilwagen 3. Klasse

Der Buffetwagen enthielt nebst einem so genannten „Ladies Retiering Room“ auch einen „Hairdressing Saloon“, was in Europa einzigartig war bis zur Einführung von neuem Wagenmaterial anno 1969 im Trans-Europ-Express „Mistral“ der französischen Staatsbahn SNCF zwischen Paris und Nizza.

Auch im Film ist mit der Maschine Nº 2505 „Cameronian“ ein Exemplar der famosen A3-Pacific – bestückt mit dem traditionellen Zugnamensschild an der Rauchkammertür – dokumentiert, wie sie an der Spitze des „Flying Scotsman“ mit voll geöffnetem Regler aus den Hallen von King’s Cross stampft. Nachfolgend die technischen Daten:

 

LNER-Schlepptenderlok Nº 2506
Bauart, AchsfolgePacific, 2’C1’
Achslast22,5 t
Anzahl Zylinder total3
Hochdruck-Zylinder: Durchmesser x Hub508 x 660 mm
Treibrad-Durchmesser2 032 mm
Verdampfungsheizfläche272 m²
Überhitzerheizfläche49 m²
Kesseldruck15,75 kp/cm²
Brennstoff (Kohle)8 t
Wasser22,7 m³
Reibungsgewicht61 t
Gesamtdienstgewicht157 t
Gesamtlänge21 463 mm

 

Hingegen handelt es sich bei der erwähnten Sequenz nach dem Schrei der Putzfrau um einen Schnellzug der Great Western Railway (GWR), bespannt mit einer GWR-Schlepptenderlok der King-Klasse vom Typ Ten-wheeler (Achsfolge 4-6-0 beziehungsweise 2’C).

Die Brücke – The Forth Rail Brigde

Am 28. Dezember 1879 stürzte die Brücke über den Firth of Tay infolge orkanartiger Böen teilweise ein und riss dabei den Abendzug Edinburgh–Dundee mit in die Tiefe. Die bis dahin schwerste Zugskatastrophe forderte 75 Todesopfer und wurde in dem berühmten Gedicht Fontanes verewigt (Text: siehe unten).

Nach den Plänen von Sir John Fowler und Benjamin Baker wurde unter der Leitung von Sir William Arrol innerhalb von sieben Jahren unter Verwendung von 58 000 Tonnen Material eine gigantische Stahlkonstruktion über den Firth of Forth erstellt, deren Bauarbeiten 1890 abgeschlossen wurden und insgesamt 15 Millionen Pfund Sterling verschlangen. Das berühmte und weithin sichtbare Bauwerk mit einer Länge von 2500 Metern und einer maximalen Höhe von 104 Metern befindet sich 14 Kilometer westlich von Edinburgh und trägt zwei Geleise der ehemaligen LNER-Hauptline nach Aberdeen in einer Höhe von 46 Meter über dem Wasserspiegel. (Hinweis: Zu den Daten der Brücke existieren unterschiedliche Angaben, wie auch anhand der folgenden Abbildung zu sehen ist.)

 

 

The Forth Bridge
 
Ansichtskarte: Valentine’s Post Card, „Colourtone“ Series; Nr. 28-1 (Sammlung Joachim Biemann)

 

 

Die Brück’ am Tay

 

„Wann treffen wir drei wieder zusamm’?“
„Um die siebente Stund’, am Brückendamm.“
„Am Mittelpfeiler.“
„Ich lösch die Flamm’.“
„Ich mit.“;
„Ich komme vom Norden her.“
„Und ich vom Süden.“
„Und ich vom Meer.“

„Hei, das gibt ein Ringelreihn,
und die Brücke muß in den Grund hinein.“
„Und der Zug, der in die Brücke tritt
um die siebente Stund’?“
„Ei, der muß mit.“
„Muß mit.“
„Tand, Tand
ist das Gebild von Menschenhand.“

Auf der Norderseite, das Brückenhaus –
alle Fenster sehen nach Süden aus,
und die Brücknersleut’, ohne Rast und Ruh
und in Bangen sehen nach Süden zu,
sehen und warten, ob nicht ein Licht
übers Wasser hin „ich komme“ spricht,
„ich komme, trotz Nacht und Sturmesflug,
ich, der Edinburger Zug.“

Und der Brückner jetzt: „Ich seh einen Schein
am andern Ufer. Das muß er sein.
Nun, Mutter, weg mit dem bangen Traum,
unser Johnie kommt und will seinen Baum,
und was noch am Baume von Lichtern ist,
zünd alles an wie zum heiligen Christ,
der will heuer zweimal mit uns sein, –
und in elf Minuten ist er herein.“

Und es war der Zug. Am Süderturm
keucht er vorbei jetzt gegen den Sturm,
und Johnie spricht: „Die Brücke noch!
Aber was tut es, wir zwingen es doch.
Ein fester Kessel, ein doppelter Dampf,
die bleiben Sieger in solchem Kampf,
und wie’s auch rast und ringt und rennt,
wir kriegen es unter: das Element.

Und unser Stolz ist unsre Brück’;
ich lache, denk ich an früher zurück,
an all den Jammer und all die Not
mit dem elend alten Schifferboot;
wie manche liebe Christfestnacht
hab ich im Fährhaus zugebracht
und sah unsrer Fenster lichten Schein
und zählte und konnte nicht drüben sein.“

Auf der Norderseite, das Brückenhaus –
alle Fenster sehen nach Süden aus,
und die Brücknersleut’ ohne Rast und Ruh
und in Bangen sehen nach Süden zu;
denn wütender wurde der Winde Spiel,
und jetzt, als ob Feuer vom Himmel fiel,
erglüht es in niederschießender Pracht
überm Wasser unten... Und wieder ist Nacht.

„Wann treffen wir drei wieder zusamm’?“
„Um Mitternacht, am Bergeskamm.“
„Auf dem hohen Moor, am Erlenstamm.“
„Ich komme.“
„Ich mit.“
„Ich nenn euch die Zahl.“
„Und ich die Namen.“
„Und ich die Qual.“
„Hei!
Wie Splitter brach das Gebälk entzwei.“
„Tand, Tand
ist das Gebilde von Menschenhand“
 

             Theodor Fontane   (1819 bis 1898)

 

 

Autor dieser Filmbesprechung und Texterfassung des Gedichts: Manuel Gurtner
Online: 05.08.2002
Version vom 03.01.2010
html-Status: 10.08.2014

 

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