Eisenbahn im Film  –  Rail Movies 
 

 

 

 

Charade

 

Art: Spielfilm
Produktion: USA 1963
Regie: Stanley Donen

Darsteller (laut IMDb): Cary Grant, Audrey Hepburn, Walter Matthau, James Coburn, George Kennedy, Dominique Minot, Ned Glass, Jacques Marin, Paul Bonifas, Thomas Chelimsky

Farbe: Technicolor
Laufzeit: 113'

 

Inhalt

Aus den Winterferien in Megève nach Paris zurückkehrt, findet Regina „Reggie“ Lampert (Audrey Hepburn) in ihrer Wohnung absolut nichts mehr vor – außer Inspector Grandpièrre. Dieser eröffnet der jungen Amerikanerin, dass ihr Ehemann Charles ermordet an der Strecke Paris–Bordeaux aufgefunden wurde. Zur Beerdigung kreuzen dann prompt Charles’ ehemalige Kumpane aus gemeinsamen Weltkriegs-Tagen auf und wollen wiederum von Reggie wissen, wo die 250 000 Dollar geblieben sind. Hinter dem Geld her ist aber auch der zwielichtige Peter Joshua (Cary Grant), der so alle Viertelstunde seinen Namen wechselt.

Bond-like ist vor dem eigentlichen Vorspann des Films ein Intro zu sehen, das einen vorbeirasenden Expresszug zeigt, aus dem unvermittelt eine Leiche fällt. Gegen Ende des Films kommt es zu einer Verfolgungsjagd, die unter anderem in der Pariser Métro spielt. Das brilliante Intro mit dem von einem Mancini-Soundtrack untermalten Vorspann sowie eine mit Wendungen gespickte, hochspannende Story und deren überraschende Auflösung – alles in allem der beste Thriller, den Hitchcock NIE gemacht hat.

 

Eisenbahn

Zuerst einmal die Fakten anhand der Intro-Filmszene:

  • Ländliche Szenerie in der Dämmerung
  • Hauptstrecke (zweigleisig) unter PLM-Fahrleitung mit 1500 V-Gleichstrom
  • Ellok BB 9200 vorneweg
  • Packwagen (2-achsig?)
  • Pullman-/Speisewagen der ISG en couplage
  • D-Zugwagen vom Typ INOX
  • Postwagen am Zugschluss

Im Film spielt diese Sequenz bekanntlich an der Strecke Paris–Bordeaux, während der morgendlichen Dämmerung.
Wer die Zusammensetzung des Zuges genauer analysiert, muss zum Schluss kommen, dass es sich um keinen – gemäß Filmhandlung – Nachtzug handelt, da weder Schlaf- noch Liegewagen eingereiht sind. Somit kommt die damalige Nachtverbindung „Iberia“ von Paris nach Irun(–Madrid) nicht in Frage. Dafür aber ist nebst den INOX-Wagen noch ein ISG-Speisewagen en couplage mit einem Pullman-Waggon auszumachen. Die Identifizierung des Zuges beruht demnach auf zwei Indizien.

Pullman

1963 verfügten nur noch wenige exklusive Züge über diesen Service. So in der Region Nord der „Flèche d’Or“ von Paris nach Calais(–London) und die durch TEE ihres Namens beraubten „Oiseau Bleu“ und „Etoile du Nord“ von Paris nach Brüssel; dann in der Region Sud Ouest (ex PO-Midi) der „Sud Express“ von Paris nach Irun(–Madrid) sowie der „Drapeau“ von Paris nach Bordeaux; schließlich die Region Sud-Est (ex PLM) mit dem „Crack-Train“ der SNCF „Mistral“ von Paris nach Nizza und der „Aquilon“ von Paris nach Lyon. Frühere Pullmann-Services bei der SNCF waren inzwischen wegen des stetig wachsenden TEE-Netzes eingestellt worden.

Erstere Züge innerhalb der Region Nord fallen weg, da diese ausschließlich unter 25 kV-Wechselstrom verkehrten. Fanden die Dreharbeiten also in der Tat in der Region Sud Ouest an der Strecke Paris–Bordeaux statt, handelt es sich anhand der Fahrplan-Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit um den – in bezug auf die Geschwindigkeit – Flaggzug dieser Magistrale, eben „Le Drapeau“. Dieser Rapide diente als erstklassige Tagesrand-Verbindung vor allem dem Geschäftsverkehr von und nach der Hauptstadt. Der Drehort liegt jedenfalls weit außerhalb der Paris Banlieue, da die Strecke bis Etampes schon damals viergleisig verlief.

Filming Locations

Da die dem Vorspann unmittelbar folgende Episode in Megève (französische Alpen) gedreht wurde – die restlichen Außenaufnahmen fanden dann in Paris statt – kann aber ebenso spekuliert werden, dass der eigentliche Schauplatz des Intros in der Region Sud-Est, konkret an der „Route Imperiale“ liegen könnte.

Wenn man diesen Aspekt weiterverfolgt – unter Berücksichtigung der bisherigen Faktenlage – kommt man zum plausiblen Ergebnis, dass es sich dann um das Pendant zum „Drapeau“ handeln müsste, den „Aquilon“ von Paris nach Lyon. Dieser Expresszug – wie der „Mistral“ ebenfalls nach einem Wind benannt – wurde ebenfalls bevorzugt von Geschäftsreisenden benutzt – planmäßige Abfahrt in der Gare de Lyon um 19:25 – weshalb er im Hochsommer nicht verkehrte. Der Express umfasste jeweils rund ein Dutzend Waggons mit einem Gesamtgewicht von über 670 Tonnen, war im Gegensatz zum „Mistral“ jedoch nicht klimatisiert.

Da die „Route Impériale“ zwischen Paris und Dijon nördlich des Kulminationspunktes bei Blaisy-Bas bereits zu Beginn der 1960er Jahre fast durchgehend vierspurig ausgebaut war, müsste die Sequenz eher südlich davon stammen.

Demnach kann ebenso angenommen werden, dass besagte Szenerie – im Gegensatz zur Filmhandlung – während der abendlichen Dämmerung eingefangen wurde.

Szenen in der Métro Paris

Die in der Pariser Métro spielenden Szenen beginnen in der Station „St. Michel“, wo Audrey Hepburn vor Cary Grant in Richtung „Porte de Clignancourt“ flüchtet. Kurz darauf fährt ein RATP-Zug der Linie 4 ein.

Diese (ab 1930 fünfteiligen) Triebzüge vom Typ „Sprague“ wurde von Thomson zwischen 1908 und 1935 in verschiedenen Versionen geliefert. Die Wagenkästen hatten eine Länge von 14,2 Metern, und die beiden Endwagen waren mit je vier Fahrmotoren zu 175 PS ausgerüstet. Die RATP-Züge wiesen damals gemäss Standard ein dunkelgrünes Farbkleid auf – ausgenommen die Fahrzeuge der Linie 1, welche in Beige/Grau verkehrten. Die mittig laufenden Erste-Klasse-Wagen waren derweil auf allen Linien in Rot gehalten. Die letzten „Sprague“ wurden erst 1983 aus dem Dienst genommen.

Die Hepburn steigt in den Erste-Klasse-Wagen, und auch Grant schafft dies noch, kurz bevor die Türen schließen. Weil er nur ein Ticket der zweiten Klasse hat, wird er aber vom Kontrolleur an der folgenden Station „Palais Royal“ in den nächsten Wagen verwiesen, was die Hepburn dazu benutzt, den Zug kurz vor Abfahrt zu verlassen und Richtung Ausgang zu fliehen.

Wie schon im Intro von „Charade“ stimmen Film und Wirklichkeit auch hier nur dem Schein nach überein. Denn die Linie 4 (zwischen „Porte d’Orleans“ und „Porte de Clignancourt“) berührt die Station „Palais Royal“ in Tat und Wahrheit gar nicht, sondern wird durch die Linien 1 und 7 bedient. Für die Handlung ist dieser Umstand aber weniger zwingend, da das Finale auf der Bühne der „Comédie-Française“ stattfindet, unweit des Louvre.

 

Autor dieser Filmbesprechung: Manuel Gurtner
Online: 26.03.2002
Version vom 23.09.2003
html-Status: 07.10.2009

 

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