Eisenbahn im Film  –  Rail Movies 
 

 

 

 

Secret Agent

 

Art: Spielfilm
Produktion: Großbritannien 1936
Regie: Alfred Hitchcock
Farbe: schwarzweiß
Laufzeit: 119’
deutscher Verleih-Titel: „Geheimagent“

 

Inhalt

Der Schriftsteller Edgar Brodie (John Gielgud) mutiert nach seinem offiziell gemeldeten Ableben zum Geheimagenten Richard Ashenden und soll in der Schweiz einen feindlichen Top-Spion unschädlich machen. Assistiert wird der Brite vom „General“ (Peter Lorre), einem skrupellosen Mexikaner, der ständig hinter den Frauen her ist. Zur Tarnung wird ihm außerdem als Ehegattin die Abenteurerin Elsa Carrington (Madeleine Carroll) zur Seite gestellt.

Allgemein

Als Nachfolgearbeit von „The 39 Steps“ (GB 1935) vermag „Secret Agent“ nur in Teilen zu überzeugen. Der Spionagestreifen basiert auf zwei Romanen von W. Somerset Maugham und spielt während des Ersten Weltkriegs. Die Handlung beginnt am 10. Mai 1916 in London mit der vermeintlichen Abdankungsfeier für den Helden – oder eher Antihelden, wie sich in der Folge herausstellt. Dieser fasst vom britischen Geheimdienst anlässlich des ersten Luftangriffs auf London durch die deutsche Luftwaffe am 28. November 1916 den Auftrag, über „Umwege“ in die Schweiz zu reisen, um einen praktisch unbekannten Top-Spion, der für die Mittelmächte arbeitet, aufzuspüren und auszuschalten.

Schauplatz Schweiz

Die Handlung spielt größtenteils in der Schweiz. Geographisch bleibt Hitchcock – wie später auch im ähnlich gelagerten, jedoch künstlerisch und kommerziell viel erfolgreicheren „The Lady Vanishes“ (GB 1938) – ziemlich vage. Als konkrete Ortschaft wird einzig „Langenthal“ genannt, wobei offensichtlich nicht das gleichnamige Städtchen im Berner Mittelland gemeint ist, sondern ein idyllisch gelegenes Bergdorf. Weitere Anhaltspunkte sind das mutmaßlich fiktive Hotel „Excelsior“, wo Ashenden nach der Ankunft absteigt und in der bereits reservierten Suite erstmalig auf seine „Ehefrau“ trifft. Später kommt es im Casino des „Kursaals“ zu einer folgenschweren Begegnung, welche ein unschuldiges Mordopfer fordern wird. Und dann ist da noch die Schokoladefabrik, die sich als Schaltzentrale deutscher Spione entpuppt.

Anhand der von Hitchcock vor Ort gedrehten Aufnahmen, welche zum Teil später im Studio für Szenen mittels Rückprojektion verwendet wurden, konnten nach genauer Sichtung der relevanten Einstellungen die nachfolgenden Drehorte ausgemacht werden.

Drehorte

Demnach würde die Anreise von der Kanalküste über nicht näher genannte „verschlungene Pfade“ ins Berner Oberland führen. Falls aber auf dem Schienenweg, käme am ehesten die Route des „Oberland Express“ der CIWL in Frage, welche unter Auslassung von Belgien und Deutschland von Calais via Chaumont, Belfort und Delle nach Interlaken verkehrte, dessen Betrieb aber seit Kriegsausbruch anno 1914 eingestellt war. Die letzte Etappe bis Spiez wird an Bord des Motorschiffes „Niesen“ zurückgelegt, welches ab 1935 auf dem Thunersee zum Einsatz kam.

Die Kirche von „Langenthal“ steht in der Tat in Frutigen, knapp 12 Kilometer südlich von Spiez, bekannt wegen des dortigen Eisenbahnviadukts im Zuge der Lötschberg-Nordrampe. Das „Grand Casino Kursaal“ befindet sich hingegen in Bern. In einer Dialogszene mit Ashenden und Elsa wurde eine Rückprojektion mit der Silhouette der Kirchenfeld-Brücke verwendet, welche bei einer Länge von 229 Metern die Aare in einer Höhe von 37 Metern überspannt und den Casinoplatz in der Berner Altstadt mit dem Helvetiaplatz im Kirchenfeldquartier verbindet.

Auch die fiktive Schokoladefabrik namens „Mouchard“ – offensichtlich abgeleitet von „Suchard“ in Neuchâtel – befindet sich irgendwo zwischen „Langenthal“ und der Hauptstadt. Der Blick ins Tal kurz vor der Liquidierung des vermeintlichen Spions zeigt wahrscheinlich das hintere Lauterbrunnental, aufgenommen von Mürren aus. In der darauffolgenden Episode mit der Folkloregruppe – Ashenden erfährt anhand des Telegramms, dass der falsche Mann erwischt wurde – wird das so genannte „Talerschwingen“ gezeigt, an sich eine Spezialität aus der Ostschweiz.

 

Eisenbahn

Gegen Ende verlagert sich die Handlung auf den Balkan, genauer nach Thrakien im Grenzgebiet zwischen Bulgarien und der nachmaligen Türkei. Auch hier schleichen sich unnötige Fehler ein, welche die exakte Identifizierung des Schauplatzes erschweren. Denn die in der Sauna-Szene gezeigte Landkarte datiert noch aus der Zeit des Ersten Balkankrieges anno 1912, als sich das bulgarische Territorium auf Kosten des Osmanischen Reiches für kurze Zeit bis zur Ägais-Küste bei Dedeagatsch (nachmalig Alexandroupolis) ausdehnte.

Auf der Orientbahn

Gemäß den tatsächlichen Grenzverhältnissen zurzeit der Filmhandung (1916 oder 1917) ist folgendes Szenario am wahrscheinlichsten: Im bulgarischen Grenzbahnhof von Svilengrad (ehemals Mustafa Pascha) bemühen sich Ashenden und der „General“ an der Bahnsteigsperre um eine Möglichkeit, den Zug nach Constantinople (nachmalig Istanbul) entern zu können, der vor kurzem auf Gleis 3 eingelaufen ist. Ashenden kennt inzwischen die wahre Identität des Spions, welcher sich wiederum in die osmanische Hauptstadt absetzen will. Derweil steht auf Gleis 1 ein Nachtzug, der via Alexandroupolis und Saloniki nach Athenes verkehrt. Beide Strecken wurden damals von der konzessionierten Chemins de Fer Orientaux (Orientbahn) betrieben.

Nach dem Passieren der Demarkationslinie hält der Zug nach kurzer Fahrt im Bahnhof von Adrianopel (nachmalig Edirne), worauf türkisches Militär der dortigen Kaserne die Abteile und Seitengänge der Waggons 3. Klasse füllt. Gleichzeitig wird auf einem Wagendach ein schweres MG in Stellung gebracht.

In der Folge wird der Zug auf der Weiterfahrt nach Uzunköprü von Kampflugzeugen der Entente – seit 1916 im nunmehr griechischen Saloniki stationiert – angegriffen, welche die (nur im Film zweigleisige) Bahnlinie bombardieren. Nach einem Volltreffer springt die Lok aus den Schienen, worauf der ganze Zug entgleist, so dass es schließlich in den Wagentrümmern zum Showdown kommt.

Dieser an sich bestechende Plot konnte – aus technischen wie aus finanziellen Gründen – nicht durchwegs überzeugend umgesetzt werden. Wie üblich wurde mit einer Mischung aus Realszenen mit Rückprojektion und Modellen gearbeitet, wobei die Ankunft des Zugs nach Konstantinopel in Svilengrad womöglich auf einem echten Bahnhof gedreht wurde. Bei der Orientbahn-Maschine handelt es sich um eine Schlepptenderlok der Bauart Consolidation (Achsfolge 1’D), von welcher bisher auf kein konkretes Vorbild geschlossen werden konnte.

Die Kulissenbauten der Waggons wirken teilweise seltsam modern für die Zeit des Ersten Weltkriegs und auch die glattwandigen Wagenmodelle korrespondieren kaum mit dem dazumal auf der Orientbahn eingesetzten Rollmaterial. Die so genannten Conventionszüge beispielsweise setzten sich aus Vierachser mit Teakholzbeplankung und Oberlichtern zusammen.

 

Autor dieser Filmbesprechung: Manuel Gurtner
Online: 06.05.2012
Status: 07.06.2012

 

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